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Subsidiarität
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische Bevölkerungs- und Wohnungsstatistiken, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 862/2007 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 763/2008 und (EU) Nr. 1260/2013; COM(2023) 31 final; BR-Drs. 24/23

15.02.2023 - Antrag | 18/27453

Initiatoren:
Gerhard Hopp, Alexander König, Winfried Bausback, Alex Dorow, Karl Freller, Johannes Hintersberger, Florian Streibl, Fabian Mehring, Tobias Gotthardt, Peter Bauer, Manfred Eibl, Susann Enders, Hubert Faltermeier, Hans Friedl, Eva Gottstein, Wolfgang Hauber, Johann Häusler, Leopold Herz, Alexander Hold, Nikolaus Kraus, Rainer Ludwig, Gerald Pittner, Bernhard Pohl, Kerstin Radler, Robert Riedl, Gabi Schmidt, Jutta Widmann, Benno Zierer

Der Landtag stellt fest, dass gegen den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische Bevölkerungs- und Wohnungsstatistiken, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 862/2007 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 763/2008 und (EU) Nr. 1260/2013; COM(2023) 31 final; BR-Drs. 24/23, erhebliche Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsbedenken bestehen.


Der Landtag schließt sich damit der Auffassung der Staatsregierung an und lehnt den Verordnungsvorschlag in der vorliegenden Form ab.


Die Staatsregierung wird aufgefordert, bei den Beratungen des Bundesrates auf die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsbedenken hinzuweisen. Sie wird ferner aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass diese Bedenken Eingang in den Beschluss des Bundesrates finden.


Im Einzelnen:


Der Landtag hält es für sinnvoll, dass die Datenerhebung für die europäischen Bevölkerungs- und Wohnungsstatistiken auf EU-Ebene geregelt werden, da kohärente und vergleichbare Bevölkerungsdaten benötigt werden, um beispielsweise die Stimmengewichtung im Rat festzulegen. So werden die Bevölkerungsstatistiken über die Verordnungen (EG) Nr. 862/2007, (EG) Nr. 763/2008 und (EU) Nr. 1260/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates aktuell bereits auf EU-Ebene geregelt.


Da die Verordnung (EU) Nr. 1260/2013 am 31. August 2028 ausläuft, ist eine Folgeregelung notwendig. Eine diese Bereiche zusammenfassende Verordnung ist im Sinne der Vereinfachung und besseren Vergleichbarkeit grundsätzlich sinnvoll.


Allerdings verletzt der Verordnungsentwurf aus Sicht des Landtags durch mehrere Regelungen den Grundsatz der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die vorgesehenen Regelungen sind nicht mit verhältnismäßigem Aufwand und sinnvoll umsetzbar. Sie greifen in die Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten ein:



  • Der in Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 definierte Begriff der Bevölkerungsbasis (-üblicher Aufenthaltsort-) kann nicht über die nationalen Melderegister abgebildet werden, da er auf Aufenthaltszeiträume abstellt. Nach der bisherigen Rechtslage (Art. 2 lit. d) der Verordnung (EG) Nr. 763/2008) konnte alternativ auch auf den eingetragenen Wohnsitz abgestellt werden, der im Melderegister verfügbar ist. Wäre der Rückgriffs auf das Melderegister nicht mehr möglich, würde dies Schätzungen zur Bevölkerungsbasis erforderlich machen, die für die Bevölkerungsstatistik keine dem Melderegister vergleichbar sichere Quelle sind. Die statistischen Zahlen würden folglich ungenauer. Dies ist nicht sinnvoll. Abgesehen davon würde die freie Wahl der Mitgliedstaaten der in Art. 9 genannten Methoden erheblich eingeschränkt.

  • Die geforderte räumliche Gliederungstiefe bis hin zu 1 km²-Rasterzellen (Art. 3 Abs. 1) und die teilweise unterjährlichen Periodizitäten sind nicht erforderlich und führen dazu, dass die Methode in Bezug auf ein nationales statistisches Bevölkerungsregister prädeterminiert und die Methodenfreiheit untergraben wird.

  • Die Anforderungen an die Statistik sollen jederzeit durch delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte geändert oder über Ad-hoc-Statistiken erweitert werden können - und dies mit äußerst kurzen Umsetzungsfristen für die Mitgliedstaaten (Art. 5 Abs. 3 und 5, Art. 6. Abs. 6 und Art. 7 Abs. 2 und 5). Das statistische Programm, die Periodizität und die Bezugszeiten können einseitig von der Kommission durch delegierte Rechtsakte verändert und erweitert werden. Sie sind dadurch in der Verordnung selbst nicht hinreichend bestimmt und deshalb für die Mitgliedstaaten unkalkulierbar. Dies wiederspricht dem Grundsatz, dass die wesentlichen legislativen Entscheidungen im Verordnungstext hinreichend konkret getroffen werden müssen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Erforderlichkeit einer Datenerhebung, die gerade auch mit Blick auf die Grundsätze der Datensparsamkeit auch datenschutzrechtlich genau dargelegt und abgewogen werden muss. Solche Entscheidungen können nicht auf delegierte Rechtsakte verlagert werden.

  • Die der Kommission (Eurostat) eingeräumte Möglichkeit, Lieferfristen, Einzelthemen und geografische Gliederungstiefen durch Durchführungsverordnungen und delegierte Rechtsakte flexibel anzupassen, birgt zudem die Gefahr, dass unter Länderhoheit stehende Daten zukünftig ebenfalls zentral geführt werden müssten, was einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Verwaltungshoheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bedeuten würde.

  • Artikel 10 Absatz 1 verpflichtet die nationalen Behörden, die für Daten aus nichtstatistischen Quellen zuständig sind (zum Beispiel Meldeämter, Standesämter), die Weiterverwendung zu statistischen Zwecken zu gestatten. Die Modalitäten des Zugangs sollen in Kooperationsvereinbarungen zwischen den nationalen Behörden und den nationalen statistischen Stellen aufgenommen werden.

  • Die generelle Verpflichtung nationaler Behörden durch EU-Verordnung, die Weiterverwendung von Daten zu statistischen Zwecken zu gestatten sowie die Modalitäten des Zugangs zwischen den nationalen Behörden und den nationalen statistischen Stellen durch Kooperationsvereinbarungen festlegen zu müssen, greift unverhältnismäßig in die bundesstaatliche Kompetenzordnung ein und beeinträchtigt die Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten.


Aufgrund der vielen neuen Anforderungen, der indirekten Beschränkung der Methodenwahl und der erheblichen und unkalkulierbaren Mehraufwände und vor allem der der unsachgemäßen Eröffnung delegierter Rechtsakte ist die Verhältnismäßigkeit des Verordnungsvorschlags in einer Gesamtschau nicht gegeben.


Der Beschluss des Bayerischen Landtags wird unmittelbar an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, den Ausschuss der Regionen und den Deutschen Bundestag sowie an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für Bayern übermittelt.

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