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Nachbesserungen beim Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) auf Bundesebene

29.01.2019 - Antrag | 18/285

Initiatoren:
Bernhard Seidenath, Josef Zellmeier, Martin Bachhuber, Barbara Becker, Ute Eiling-Hütig, Hans Herold, Johannes Hintersberger, Michael Hofmann, Klaus Holetschek, Gerhard Hopp, Alexander König, Harald Kühn, Beate Merk, Martin Mittag, Helmut Radlmeier, Steffen Vogel, Ernst Weidenbusch, Manuel Westphal, Georg Winter, Florian Streibl, Fabian Mehring, Susann Enders, Peter Bauer, Manfred Eibl, Hubert Faltermeier, Hans Friedl, Tobias Gotthardt, Eva Gottstein, Joachim Hanisch, Wolfgang Hauber, Johann Häusler, Leopold Herz, Alexander Hold, Nikolaus Kraus, Rainer Ludwig, Gerald Pittner, Bernhard Pohl, Kerstin Radler, Gabi Schmidt, Jutta Widmann, Benno Zierer

Der Bayerische Landtag appelliert an den Deutschen Bundestag, das geplante Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) noch stärker an dem Ziel auszurichten, dass die medizinische Versorgung aller versicherten Patientinnen und Patienten qualitativ hochwertig und gut erreichbar bleibt sowie noch weiter verbessert wird. Der Grundsatz der Freiberuflichkeit der Ärztinnen und Ärzte und das System der Selbstverwaltung müssen gewahrt werden.


Der Landtag begrüßt insoweit die von der Staatsregierung getragene Stellungnahme des Bundesrats, die dieser in seiner 972. Sitzung am 23. November 2018 zum TSVG-Entwurf beschlossen hat. Insbesondere sieht der Landtag bei den folgenden sechs Punkten Nachbesserungsbedarf:



  • Der Landtag befürchtet eine Gefährdung der hausarztzentrierten Versorgung und weiterer selektivvertraglicher Versorgungsmodelle im Freistaat, die von dem derzeit diskutierten Änderungsantrag Nr. 6 zum TSVG ausgeht. Wir brauchen auch künftig Hausärzte als Lotsen in unserem Gesundheitssystem - und damit auch die Hausarztverträge, für die sich der Freistaat Bayern bereits in der Vergangenheit stark gemacht hat.

  • Der direkte Erstzugang für Patientinnen und Patienten zu den Psychotherapeutinnen und -therapeuten muss erhalten bleiben. Der Landtag lehnt deshalb den im TSVG-Entwurf enthaltenen gestuften und gesteuerten Zugang zu einer psychotherapeutischen Behandlung ab.

  • Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel der besonderen Therapieeinrichtungen (z.B. Homöopathie; Naturheilkunde) dürfen nicht wie im TSVG-Entwurf vorgesehen, gestrichen werden, zumal diese keine Belastung für die Solidargemeinschaft darstellen. Falls es das Ziel sein sollte, die Homöopathie auf diesem Weg zu verdrängen, sieht der Landtag dies nicht als sinnvoll an. Den Versicherten, denen das wichtig ist, sollte es weiter möglich sein, einen solchen Wahltarif abzuschließen.

  • Der Landtag lehnt die Einführung neuer Zwangsrabatte von Impfstoffen ab.

  • Der Landtag unterstützt das Ziel, die Erlössituation der Heilmittelerbringer zu verbessern, um die flächendeckende Heilmittelversorgung sicherzustellen. Der Landtag plädiert deshalb nachdrücklich für eine Beibehaltung der bewährten regionalen Vertragskompetenz sowie des Zulassungsverfahrens, das allerdings durch gezielte Anpassungen bürokratiearm und effizient fortentwickelt werden muss.

  • Ein weiteres Ziel muss es sein, für das Versorgungsgeschehen und die Versorgungssicherheit schädlichen Monopolisierungstendenzen in der vertragsärztlichen Versorgung wirksam zu begegnen, deren Zunehmen zuletzt insbesondere im Bereich Medizinischer Versorgungszentren (MVZs) feststellbar war. Oberste Maxime muss das Patientenwohl, nicht die Gewinnmaximierung sein.



Im Deutschen Bundestag wird aktuell der Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) beraten. Dieses Gesetz wird nach seiner Verabschiedung für sämtliche in der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Menschen in Deutschland gelten, demzufolge auch für die Versicherten und die Leistungserbringer in Bayern. Der Antrag listet den aus Sicht des Bayerischen Landtags dringlichen Nachbesserungsbedarf auf, um der Intention des Gesetzes auch im Freistaat Bayern vollumfänglich gerecht zu werden.


Im Einzelnen ist zur Begründung das Folgende näher auszuführen:



  • Der TSVG-Entwurf stärkt die Lotsenfunktion des Hausarztes über die Klarstellung, dass auch die Vermittlung von dringenden Facharztterminen zu den Aufgaben der Hausärzte zählt und zugleich diese Terminvermittlung finanziell gefördert werden soll. Dies ist ebenso zu begrüßen wie die weiter bestehende direkte Zugangsmöglichkeit zum Facharzt. Zwar ist die grundsätzliche Zielrichtung von Änderungsantrag Nr. 6 richtig, Diagnosemanipulationen und in deren Folge Manipulationen bei den nach den Vorgaben des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs erfolgenden Finanzzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen auszuschließen und deshalb auch keine darauf gerichteten Vergütungsanreize zuzulassen. Dafür ist aber ein generelles Anknüpfungsverbot von Vergütungspositionen an Diagnosen weder erforderlich noch hilfreich. Denn gerade krankheitsspezifische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Mehraufwendungen für eine intensivere Betreuung sind nur für Patienten mit den jeweiligen Erkrankungen medizinisch notwendig und sinnvoll.

  • Gerade in der psychotherapeutischen Versorgung muss ein niedrigschwelliger Zugang gewährleistet sein, damit betroffene Menschen frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Der TSVG-Entwurf enthält aber durch den geplanten gestuften Zugang eine neue Schwelle, die genommen werden muss, bevor therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Dies ist der falsche Ansatz.

  • Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel der besonderen Therapieeinrichtungen (z.B. Homöopathie; Naturheilkunde) sollen laut Nr. 27 des TSVG-Entwurfs / § 53 V SGB V gestrichen werden. Als Begründung führt das Bundesministerium für Gesundheit einen zu hohen bürokratischen Aufwand für zu wenige Versicherte an. Diese Einschätzung wird von der Praxis nicht bestätigt.

  • Die Einführung von neuen Zwangsrabatten bei Impfstoffen wäre ein Sündenfall. Der Landtag lehnt dies ab. Gerade im Bereich der Impfstoffherstellung ist eine zunehmende Konzentration auf wenige Hersteller zu beobachten. Wenn dann ein neuer Zwangsrabatt hinzukommt, wird diese Situation noch verschärft.

  • Die Situation der Heilmittelerbringer - unter anderem Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen oder Diätassistenten - hat sich infolge der Aufhebung der Grundlohnsummenbindung haben sich die regionalen Vergütungsverhandlungen gerade auch in Bayern erfreulich entwickelt. Wir brauchen auch künftig insbesondere regionaler Vergütungsvereinbarungen, die auch künftig erhalten bleiben müssen. Eine Zentralisierung würde bestmögliche Versorgungslösungen vor Ort gefährden. Auch die damit einhergehend geplante Abschaffung der Zulassungsprüfungen im Heilmittelbereich und den Ersatz durch ein Vertragsbeitrittsverfahren hält der Landtag aller-dings - vor allem unter Qualitätsaspekten und im Hinblick auf den Patientenschutz - für außerordentlich problematisch.

  • Der Landtag hält am Leitbild des freiberuflich tätigen Arztes fest. Gleichwohl leisten MVZs einen wertvollen Beitrag zur vertragsärztlichen Versorgung. Sie flexibilisieren die Erbringung und Organisation ärztlicher Leistungen und die ärztliche Berufsausübung als solche. Sie kommen damit dem Berufsbild und den Berufserwartungen gerade junger Mediziner sehr entgegen und tragen damit auch zur Nachwuchsgewinnung für die unmittelbare Patientenversorgung bei. Mit dem TSVG soll nun unter anderem klargestellt werden, dass einzelne MVZ-Trägergesellschaften nicht auf das Betreiben eines einzigen MVZ beschränkt sind, sondern zeitgleich mehrere MVZs tragen können. Die hierdurch mögliche Vereinfachung und Entbürokratisierung der Abläufe in der Praxis wird grundsätzlich begrüßt. Es darf allerdings nicht zu versorgungsschädlichen konzernartigen Monopolstrukturen in der ärztlichen Versorgung kommen. Um eine MVZ-Trägerschaft für kapitalgetriebene Investoren, Heuschrecken und renditegeleitete Finanzinvestoren so unattraktiv wie nur möglich zu machen, könnte etwa eine Haltefrist von zehn Jahren eingeführt werden.


 

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