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Impulse für die bayerisch-tschechische Freundschaft in und nach der Pandemie

06.07.2021 - Antrag | 18/17058

Initiatoren:
Gerhard Hopp, Franz Rieger, Alexander König, Winfried Bausback, Alex Dorow, Martin Huber, Thomas Huber, Florian Streibl, Fabian Mehring, Tobias Gotthardt, Peter Bauer, Manfred Eibl, Susann Enders, Hubert Faltermeier, Hans Friedl, Eva Gottstein, Joachim Hanisch, Wolfgang Hauber, Johann Häusler, Leopold Herz, Alexander Hold, Nikolaus Kraus, Rainer Ludwig, Gerald Pittner, Bernhard Pohl, Kerstin Radler, Gabi Schmidt, Jutta Widmann, Benno Zierer

Der Bayerische Landtag bekräftigt, dass die bayerisch-tschechischen Beziehungen herausragende Bedeutung haben, um gemeinsam nicht nur die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bewältigen, sondern auch zukünftige Herausforderungen anzugehen. Mit der Etablierung der Bayerischen Repräsentanz in Prag oder auch der Einführung der bayerisch-tschechischen Parlamentariergruppe konnten in den letzten Jahren wichtige politische Wegmarken hin zu einer guten und engen Nachbarschaft gesetzt werden. Insbesondere die besondere Situation und Aufgabe der Grenzregionen in beiden Ländern sollen jedoch mit den Erfahrungen der Pandemie noch stärker in den Fokus gerückt werden. Es gilt in erster Linie, bewährte Strukturen zu sichern und - wo möglich - neue ergänzend zu schaffen.


Der Landtag stellt heraus, dass sich Bayern als Motor der deutsch-tschechischen Beziehungen versteht und der Zeitpunkt für neue Impulse der gemeinsamen Freundschaft auf allen Ebenen gekommen ist. Die von der Bayerischen Staatsregierung maßgeblich unterstützten Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen 2023 sind dabei ein wichtiges und zukunftsweisendes Element.


Der Landtag bestärkt die Staatsregierung darin, die grenzüberschreitenden Beziehungen voranzutreiben. Folgende Ansatzpunkte werden im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel zur Prüfung vorgeschlagen:



  • Ausbau institutionalisierter politischer Kontakte: Die Arbeit der Koordinatoren für die Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Landtag und dem Tschechischen Parlament sowie des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen als zuständigem, ständigem Gremium sind zu stärken. Die bayerisch-tschechische Arbeitsgruppe stellt zudem eine gute Grundlage für den Austausch auf Fachebene zwischen beiden Ländern dar. Neben einer Ausweitung der bereits existierenden bayerisch-tschechischen Parlamentariergruppe auf die Fachausschüsse könnte eine Vertiefung der Bayerisch-Tschechischen Arbeitsgruppe für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Regierungskommission) über alle Ressorts hinweg geprüft werden, um eine belastbare Brücke und noch besseren Austausch zwischen den Ländern zu ermöglichen.

  • Begleitung möglicher zukünftiger grenzüberschreitender Verbünde (EVTZ): Grenzüberschreitende Verbünde könnten - in enger Absprache mit den tschechischen Nachbarn - sowie in Ergänzung und in Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen, wie beispielsweise den Euregiones, Zukunftsthemen im Sinne eines gemeinsamen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraumes bearbeiten, etwa als digitale Leitregion oder in den Bereichen Gesundheit, Verkehr, Arbeit, Bildung oder Wirtschaft. Die erfolgreiche, grenzübergreifende Zusammenarbeit der Bezirke ist zu fördern und auszubauen.

  • Verbesserung der zweisprachigen Information auf den Informationsplattformen im Grenzraum: Ziel ist es, die Zweisprachigkeit dr bestehenden Informationsplattformen zu verbessern und damit im Sinne einer gemeinsamen Öffentlichkeit besseres Verständnis in Krisenzeiten und darüber hinaus zu erlangen. Dies könnte nicht nur im Hinblick auf Grenzpendler, sondern die gesamte Bevölkerung beiderseits der Grenze einen wertvollen Beitrag zum grenzüberschreitenden Zusammenhalt leisten.

  • Bayerisch-Tschechische Sprachoffensive ausbauen: Sprache stellt den zentralen Schlüssel zum gemeinsamen Verständnis dar. Basierend auf den bereits guten Erfahrungen gemeinsamer Sprach- und Medienprojekte, wie etwa der -Deutsch-Tschechische Jugendaustausch - Tandem- im Rahmen des Kooperationsprogramms -Ziel ETZ 2014 - 2020- des Projektes -Nachbarwelten - Sousední svety-, sollen von den Kindertagesstätten über die Schulen bis hin zum Angebot an Hochschulen alle Möglichkeiten für verstärktes Sprachangebot genutzt werden.

  • Grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Katastrophen- und Krisenbewältigung. Grenzüberschreitende Rettungs- und Katastrophenhilfe sowie Krisenmanagement im Sinne des bestehenden Kompetenz- und Koordinierungszentrums Rettungsdienst ist fortzuführen und auszubauen, gemeinsame Übungen sowie Sprachkurse werden ausdrücklich begrüßt.

  • Mehr Miteinander in der Gesundheitsprävention: Die Zusammenarbeit und Kooperation der Gesundheitsämter im grenznahen Bereich soll im Licht der Pandemie weiter ausgebaut und besser vernetzt werden.

  • Die Beziehungen zwischen Bayern und Böhmen sollen nachhaltig mit einer Begegnungsoffensive gestärkt werden - Jugendaustausch, Kultur und Ehrenamt sollen dabei besonders in den Fokus rücken. Der Landtag betont die besondere Bedeutung der Städtepartnerschaften und fordert deren weitere, ausreichende Förderung durch die EU.

  • Eine branchenübergreifende Anlaufstelle im Sinne eines bayerisch-tschechischen Aus- und Weiterbildungszentrums der Kammern, das in Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen Informationen rund um das grenzüberschreitende Arbeiten gibt, könnte eine Entlastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein.

  • Stärkung des kulturellen Dialogs: Das Centrum Bavaria Bohemia sowie der Geschichtspark in Bärnau sind wertvolle Beispiele zur Intensivierung des grenzübergreifenden, kulturellen Austauschs und gegenseitiger Verständigung. Ihr langfristiger Erhalt und Betrieb ist im Sinne des Bayerischen Landtags. Vernetzte Ideen, Institutionen und Projekte zur Verankerung der gemeinsamen kulturhistorischen Arbeit auf tschechischer Seite werden ausdrücklich begrüßt.

  • Gemeinsamen Wirtschaftsraum stärken und Möglichkeiten der Regionalförderung in den Grenzregionen nutzen: Im Zusammenwirken aus Mitteln der EU-Strukturförderung und Landesmitteln soll einem Fördergefälle in und zwischen den Grenzregionen entgegengewirkt und die gute wirtschaftliche Entwicklung verstetigt werden.

  • Attraktive Brückenköpfe aus dem Grenzgürtel: Die bestehenden grenzübergreifenden Ober- und Mittelzentren müssen gestärkt werden, um ihrer Rolle als Brückenbauer gerecht werden zu können.

  • Verbindungen schaffen mit einer Verkehrsoffensive Bayern-Tschechien: Neben einem flächendeckenden Ausbau des grenzüberschreitenden ÖPNV und SPNV und des Wegenetzes fordert der Freistaat eine schnelle Umsetzung der Planungen für den Ausbau der Bahnstrecken Nürnberg - Prag und München-Prag sowie deren nahtlose bauliche Umsetzung.

  • Weiterentwicklung der bayerisch-tschechischen Hochschul- und Gründerlandschaft: Zukunftsthemen wie Wasserstoffforschung mit einer engen Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bieten herausragende Möglichkeiten. Studierende sollen exzellente Forschungsvoraussetzungen haben, als vernetzte, digitale Grenzgänger. Die bayerisch-tschechische Hochschulagentur ist als bewährtes Instrument in ihrem Bestand dauerhaft zu sichern.

  • Das grüne Dach Europas nutzen: Klimawandel und Schutz der Biodiversität machen nicht an Grenzen Halt, wie das -Grüne Band- zwischen Bayern und Tschechien belegt. Mit einem europaweit einmaligen Erholungs- und Naturraum sowie Klimapartnerschaft mit Tschechien kann die Grenzregion mit den Nationalparks Vorbildwirkung und Strahlkraft entwickeln und unter anderem als -Blaues Band- eine Pionierfunktion bei der Anwendung grünen Wasserstoffs einnehmen.



Über drei Jahrzehnte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes war sowohl die europäische Einigung mit offenen Grenzen, immer tieferer Integration und Zusammenarbeit insbesondere für die jüngeren Generationen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Mit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 ist Bayern ins Herz Europas gerückt und die bayerisch-tschechische Grenzregion hat sich zu einer der dynamischsten Wirtschaftsregionen Europas mit hoher Lebensqualität und Attraktivität entwickelt. Entlang der bayerisch-tschechischen Grenze sind viele neue Verbindungen entstanden. Eine Vielzahl an Akteuren aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft wie die Wirtschaftskammern, die Euregiones oder das Centrum Bavaria Bohemia und eine Vielzahl an Vereinen bringen sich für die grenzüberschreitenden Beziehungen ein. Auch die gemeinsame Geschichte mit Krieg, Flucht und Vertreibung sowie Trennung im Kalten Krieg wird miteinander aufgearbeitet. Der Freistaat versteht sich als Schirmherr für den Vierten Stamm in besonderer Verpflichtung, für den Austausch zwischen Bayern und Tschechien in Zusammenarbeit mit den Sudetendeutschen einzustehen.


Mit der Corona-Pandemie wurde und wird diese Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Kurzfristige Grenzschließungen und -kontrollen, Abstimmungsbedarf zwischen den Ländern oder auch gegenseitiges Misstrauen in der Bevölkerung sind nur einige Beispiele der Problemlagen, die sich herauskristallisiert haben. Insbesondere die Lage der Grenzpendler als sichtbare Bindeglieder eines gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraumes war herausfordernd. Es war daher ein wichtiger Schritt, die Lage an der bayerisch-tschechischen Grenze als europäische Herausforderung zu verstehen und so zu handeln. Die Initiative des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, mit zusätzlichem Impfstoff und Unterstützung der EU direkt in den betroffenen Regionen zu helfen und den tschechischen Gebieten, die hart von der Pandemie getroffen waren, medizinische Hilfe anzubieten, war wegweisend.


Darüber hinaus ist es notwendig, die Grenzregionen und ihre besonderen Herausforderungen, die einerseits durch die monatelangen Einschränkungen auch wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell Lasten zu tragen hatten, und andererseits als Nahtstelle zwischen Bayern und Tschechien gleichzeitig eine entscheidende Rolle bei der europäischen Integration beider Länder einnehmen, noch stärker in den Fokus zu nehmen und zu unterstützen. Mehr Sichtbarkeit, neue Impulse bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und ein gemeinsames Verständnis stellen einen Mehrwert für die europäische Integration, die Kooperation beider Länder und nicht zuletzt für die Menschen vor Ort dar.


Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der bayerisch-tschechischen Beziehungen bleibt dabei beispielsweise die Gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Kulturministerium der Tschechischen Republik (aus dem Jahr 2015), mit dem eine langfristige Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Kunst und Geschichte vereinbart wurde. Die konkrete Arbeit zur Verwirklichung dieser Ziele wird von einer bayerischen-tschechischen Koordinierungsgruppe geleistet, an der die auf diesem Feld zentralen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure beteiligt sind. Diese Zusammenarbeit soll intensiviert werden.


Sowohl die Krise als auch ihre Auswirkungen können nur gemeinsam bewältigt werden.  Nach dem Deutsch-Tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 und der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um jetzt und für die Zeit nach der Pandemie unsere wichtigen Beziehungen mitten in Europa auf eine neue Grundlage zu stellen, die den Menschen Mut macht und gemeinsame Perspektiven schafft. Sowohl in Bayern als auch in Tschechien besteht gerade in den Grenzregionen große Zustimmung, das gemeinsame Verhältnis neu und noch enger anzugehen.

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