Bernhard Seidenath, Tanja Schorer-Dremel, Barbara Becker, Alfons Brandl, Karl Freller, Andreas Lorenz, Beate Merk, Martin Mittag, Helmut Radlmeier, Florian Streibl, Fabian Mehring, Susann Enders, Peter Bauer, Manfred Eibl, Hubert Faltermeier, Hans Friedl, Tobias Gotthardt, Eva Gottstein, Wolfgang Hauber, Johann Häusler, Leopold Herz, Alexander Hold, Nikolaus Kraus, Rainer Ludwig, Gerald Pittner, Bernhard Pohl, Kerstin Radler, Robert Riedl, Gabi Schmidt, Jutta Widmann, Benno Zierer
Die Bayerische Staatsregierung wird gebeten zu prüfen und zu berichten, ob und wenn ja, wie im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel die laufende Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 durch die Erforschung, Entwicklung und Herstellung nasaler (Nasenspray) und oraler (Schluck-)Impfstoffe durch geeignete Förderprojekte ergänzt werden kann. Dabei sollen auch geeignete Fördermöglichkeiten des Bundes miteinbezogen werden.
Aktuell sind nur COVID-19-lmpfstoffe in der EU zugelassen, die intramuskulär verimpft werden müssen. Laut Studien produziert der Körper durch die intramuskuläre Impfung hauptsächlich Antikörper der Klasse IgG. Diese überwiegen im Blutplasma (ca. 80 %) alle anderen Antikörperklassen. Bisher konnte durch die Impfung keine -Sterile Immunität" nachgewiesen werden, was bedeutet, dass die Weitergabe des Erregers durch die geimpfte oder infizierte Person möglich ist. An den Schleimhautoberflächen treten vor allem IgA Antikörper auf, diese sind für die Abwehrvorgänge spezialisiert. Im Blutplasma machen sie nur einen Anteil von 15 - 20 % der Antikörper aus.
Die Forscher erhoffen sich durch die angesprochene Nasenschleimhaut-Immunisierung, d. h. nasale Gabe eines Impfstoffes gegen COVID-19, dementgegen eine erhöhte Immunantwort der IgA-Antikörper und dadurch eine mögliche -Sterile Immunität" der geimpften Person. Insgesamt ist eine Entwicklung von Schleimhautimpfstoffen zum Hervorrufen einer sterilen Immunität vor COVID-19 zu begrüßen. Aktuell befinden sich unter den 137 derzeit in der klinischen Phase befindlichen COVID-19-Impfstoffen vier, welche oral verabreicht werden, sowie zehn mit intranasaler Applikation (Stand: 07.01.22: WHO - Novel COVID-19 vaccine tracker). Sieben dieser intranasalen Impfstoffkandidaten befinden sich derzeit in frühen Stadien klinischer Prüfungen (Phase l bzw. II), drei bereits in der fortgeschritten Phase III. Für die Einreichung eines Zulassungsantrags als Arzneimittel sind allerdings abgeschlossene klinische Prüfungen der Phasen l - III Grundvoraussetzung. In Deutschland forscht u. a. das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig um Prof. Carlos Guzmän und das Universitätsklinikum Tübingen um Dr. Ulrich Lauer an einem nasalen COVID-19-lmpfstoff.
Erste Studien in Tierversuchen zeigen, dass die nasale Verabreichung eines COVID-19-lmpfstoffes wirksamer sein könnte als die Injektion des Impfstoffes. Allerdings ist die Entwicklung eines nasalen bzw. oralen Impfstoffes anspruchsvoll. Die Gründe dafür sind vielfältig, z. B.: Die Schleimhäute sind darauf ausgelegt, Krankheitserreger und andere Eindringlinge wie Impfstoffe abzuwehren. Die Feuchtigkeit der Schleimhaut verursacht einen Verdünnungseffekt bei nasaler Gabe. Der vorhandene pH-Wert bzw. Enzyme könnten den Impfstoff inaktivieren. Zusätzlich ist bei der nasalen Applikation die Dosisfindung erschwert, da keine klare Kontrolle über die Dosisaufnahme in den Körper möglich ist und der Anteil stark variieren kann. Bei Einsatz eines Lebendimpfstoffs gäbe es zudem möglicherweise Einschränkungen, da ein solcher für Menschen mit (schwerer) Immundefizienz bzw. für Personen mit engem Kontakt zu diesen nur eingeschränkt oder nicht geeignet wäre.
Obwohl seit 2014 bereits ein zugelassener Influenza Impfstoff (FIuenz Tetra 2021/2022) für Kinder ab 24 Monate bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, der nasal verabreicht wird, auf dem Markt ist, ist wohl kurzfristig nicht mit der Zulassung eines nasalen COVID-19-lmpfstoffs in der EU zu rechnen.