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Subsidiaritätsangelegenheit

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU; COM(2022) 457 final; BR-Drs. 514/22

10.11.2022 - Antrag | 18/25066

Initiatoren:
Gerhard Hopp, Petra Guttenberger, Alexander König, Winfried Bausback, Tobias Reiß, Alex Dorow, Karl Freller, Johannes Hintersberger, Stephan Oetzinger, Josef Schmid, Karl Straub, Walter Taubeneder, Florian Streibl, Fabian Mehring, Tobias Gotthardt, Peter Bauer, Manfred Eibl, Susann Enders, Hubert Faltermeier, Hans Friedl, Eva Gottstein, Wolfgang Hauber, Johann Häusler, Leopold Herz, Alexander Hold, Nikolaus Kraus, Rainer Ludwig, Gerald Pittner, Bernhard Pohl, Kerstin Radler, Robert Riedl, Gabi Schmidt, Jutta Widmann, Benno Zierer

Der Landtag stellt fest, dass gegen den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU; COM(2022) 457 final; BR-Drs. 514/22, Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsbedenken bestehen.


Der Landtag schließt sich damit der Auffassung der Staatsregierung an und lehnt den Verordnungsvorschlag ab.


Die Staatsregierung wird aufgefordert, bei den Beratungen des Bundesrates auf die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsbedenken hinzuweisen. Sie wird ferner aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass diese Bedenken Eingang in den Beschluss des Bundesrates finden.


Im Einzelnen:



  1. Für den Verordnungsvorschlag gibt es keine Kompetenzgrundlage, vielmehr ist der geschützte Bereich der Kulturhoheit der Mitgliedstaaten und in Deutschland der Bundesländer zu achten


Die mit dem Verordnungsvorschlag beabsichtigte Regulierung wesentlicher Teile der Medien in Europa, einschließlich der Presse, des privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie Online-Medien bezüglich ihrer Inhalte, Organisationsstruktur und Überwachung kann nicht auf Art. 114 AEUV gestützt werden.


Der vorgeschlagene Rechtsakt sieht Regelungen vor, die sich gezielt auf die Gewährleistung inhaltlicher Vielfalt sowie redaktioneller Freiheit, insbesondere auch innerhalb der Medienunternehmen, richten (so etwa Artikel 3, Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe a), Artikel 5). Dafür bietet Art. 114 AEUV keine Rechtsgrundlage.


Soweit der Verordnungsvorschlag Medienbereiche regulieren will, die - wie Presse und Hörfunk - primär lokal bzw. regional ausgerichtet sind, fehlt es bereits an der Binnenmarktrelevanz, welche Maßnahmen nach Artikel 114 AEUV erst grundsätzlich eröffnen würde. Es erschließt sich dem Landtag nicht, inwieweit Maßnahmen zur Binnenorganisation der Medienunternehmen und der Qualität ihrer Angebote den Binnenmarkt befördern sollen.


Vielmehr ist es so, dass die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten, und im Falle Deutschlands der Bundesländer, zu wahren ist.


Sofern der Verordnungsvorschlag die Ansicht erkennen lässt, dass bereits mitgliedstaatliche Kompetenzen (vgl. Erwägungsgrund 5), jedenfalls aber die daraus abgeleiteten Maßnahmen zur Vielfaltssicherung als Hemmnisse für den Binnenmarkt für Mediendienste angesehen werden, die bereinigt werden müssten, verkennt dieser die Kompetenzverteilung in Europa.


Nach den europäischen Verträgen liegt die Kulturhoheit und damit die Kompetenz für die Medienregulierung allein bei den Mitgliedstaaten. Die Europäische Union hat die dadurch gewährleistete kulturelle Vielfalt nicht nur zu achten, sondern unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung zu fördern - wie es in Art. 167 Absatz 5 AEUV explizit heißt. Denn gerade diese regionale und nationale Vielfalt ist Wesensmerkmal und Grundwert Europas.


Der vorliegende Vorschlag missachtet diese klare Regelung der europäischen Vertragswerke und würde massiv in den Kernbereich des Rechts der Mitgliedstaaten eingreifen, ihre Medienordnung in Ausübung dieser Kulturhoheit selbst zu ordnen, indem er Maßnahmen zur Sicherung der Medienvielfalt vorsieht und einen nach Artikel 1 Absatz 3 in Zusammenschau mit Artikel 4 Absatz 1 abschließenden Rahmen vorgibt, der die Vielfaltsicherung bestimmt und damit Maßnahmen der Vielfaltsicherung auf mitgliedstaatlicher Ebene ausschließt. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung und Organisation der privaten, aber vor allem auch der über das Amsterdamer Protokoll (Protokoll (Nr. 29) über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten, ABl. C 202/311, 2016) besonders geschützten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter.


Der Landtag betrachtet den Verordnungsvorschlag, der auf eine einseitige Benennung der in den Mitgliedstaaten zuständigen Stellen und eine faktische Zentralisierung der Medienaufsicht abzielt, als Verstoß gegen die Pflicht der Europäischen Union, dem kulturpolitischen Harmonisierungsverbot in Artikel 167 AEUV Rechnung zu tragen. Vor allem der allgemeine Überwachungsmechanismus in Art. 25 würde der Europäischen Kommission die Möglichkeit eröffnen, die Resilienz von Medienmärkten in den Mitgliedstaaten auf Grundlage bisher nicht festgelegter Kriterien und ohne Mitwirkungsmöglichkeit oder speziellen Rechtsschutzmechanismus für die Mitgliedstaaten zu beurteilen und daraus bestimmte Leitlinien herzuleiten.


 



  1. Vorgeschlagene Regelungen sind nicht geeignet, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen


Der Landtag sieht wesentliche, im Vorschlag enthaltene Maßnahmen nicht als geeignet an, die im Verordnungsvorschlag genannten Ziele zu erreichen. Es ist beispielweise nicht nachvollziehbar, inwieweit die Aktivitäten regionaler und lokaler Medien einschließlich der ihrer Natur nach auf nationaler Ebene tätigen und in Deutschland zudem dezentral auf Länderebene verorteten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von ihrem Umfang bzw. ihrer Wirkung eine Gefahr für den -Medienbinnenmarkt- darstellen können. Genauso ist nicht nachvollziehbar, wie konkrete Vorgaben zu deren Binnenorganisation (Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe a), 5 des Entwurfes) einen -Medienbinnenmarkt- verbessern sollten.


Im Gegenteil, die vorgesehenen Rechte der Kommission im Rahmen der Aufsicht würden dem Prinzip der Staatsferne geradezu zuwiderlaufen, das jedoch zur Vielfaltssicherung von besonderer Bedeutung ist.


 



  1. Verstoß gegen das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip


 Der Verordnungsvorschlag würde darüber hinaus auch gegen die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verstoßen.


Ein Handeln der Europäischen Union ist nicht erforderlich, da in der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten bereits effektive Regelungen zur Gewährleistung einer vielfältigen Medienlandschaft mit unabhängigen Medien existieren, die mit den europäischen Werten, Normen und Zielen im Einklang stehen. Sollte die Kommission der Ansicht sein, dass in der Medienordnung einzelner Mitgliedstaaten Defizite von solcher Qualität bestehen, dass sie insbesondere die grundlegenden Werte der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nach Artikel 2 EUV gefährden, kann durch geeignete und bereits vorhandene Instrumente zielgerichtet reagiert werden, ohne in die Kompetenzen und Hoheitsrechte aller Mitgliedstaaten sowie deren Medienrechtsordnung wie vorgeschlagen in unverhältnismäßiger Art und Weise einzugreifen.


Im Übrigen würde durch den Verordnungsvorschlag in ebenfalls unverhältnismäßiger Art und Weise in die Rechte und Freiheiten der privaten Medienanbieter eingegriffen: Die Einbeziehung der Presse in den Verordnungsvorschlag schränkt das Recht von Verlegern ein, die politische Meinung und Richtung ihres Mediums festzulegen. Für einen solchen Eingriff gibt es unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes keine Rechtfertigung.


Der Beschluss des Bayerischen Landtags wird unmittelbar an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, den Ausschuss der Regionen und den Deutschen Bundestag sowie an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für Bayern übermittelt.

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